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Statement zum Antrag ´Beitritt der Stadt Gerlingen ins Bündnis Städte sicherer Häfen´ der SPD Gerlingen

Wir begrüßen die Initiative der SPD im Gemeinderat und ich möchte mit diesem Statement kurz darlegen, warum es für uns unerlässlich ist, dass wir über das Thema Flucht und Migration wieder stärker sprechen.

Laut Zahlen der UNO-Flüchtlingshilfe lag die Zahl der Menschen, die Ende 2019 auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen waren, bei 79,5 Millionen, was mehr als einem Prozent der Weltbevölkerung entspricht. Seit 2010 hat sich die Zahl der Menschen auf der Flucht damit sogar verdoppelt. 85% der Geflüchteten leben nach wir vor in Ländern des globalen Südens.1

Nur wenige der Geflüchteten fliehen dabei ins weit entfernte und für sie fremde Europa. Die Reise ist gefährlich, so ertranken oder verschwanden laut der UNO seit dem Jahr 2016 über 12.800 Menschen. Diese Zahlen sind dabei vorsichtige Schätzungen, die Dunkelziffer liegt laut der UNO-Flüchtlingshilfe nochmal höher. Damit ist das Mittelmeer inzwischen ein Massengrab.2
 

Was macht die EU in der Situation?

Schon seit 2016 gilt für die meisten Länder das Mantra, dass man die Ankunft von geflüchteten Menschen möglichst verhindern müsse. Dazu wurde zum einen ein Deal mit der Türkei geschlossen, mit dem sich die EU von der Türkei abhängig macht und mit deren Hilfe die Türkei Geflüchteten den Zugang zur EU verwehren soll. Außerdem setzt die EU verstärkt auf die sogenannte Grenzschutzpolizei „Frontex“.

Was sind die Aufgaben dieser Institution? Nach eigenen Angaben wollen sie ein ´Migration Flow Management´ betreiben und somit die europäischen Außengrenzen schützen. Das bedeutet letztendlich nichts anderes, als dass Menschen davon abgehalten werden sollen, nach Europa zu kommen.3

In den letzten Jahren gab es mehrere Menschenrechtsverletzungen von Frontex, bei denen mit illegalen Pushbacks von Schiffen große Wellen erzeugt wurden, die die völlig überfüllten und instabilen Boote zum Umkehren zwingen sollen.4 Nach den Menschenrechtskonventionen ist Frontex jedoch dazu verpflichtet, ertrinkende Menschen zu retten. Um dem zu entgehen, ändert Frontex nach und nach seine Strategie.5

Zum einen arbeitet Frontex inzwischen eng mit der sogenannten libyschen Küstenwache zusammen. Diese Zusammenarbeit besteht dabei vor allem in der militärischen Ausstattung mit Booten und Waffen. Wird ein Boot entdeckt, wird häufig die libysche Küstenwache angerufen. Die Menschen werden zurück nach Libyen gebracht und dort gefoltert, vergewaltigt oder ermordet.6 Zudem gibt es viele Berichte in Zeitungen über Gewaltexzesse an den Außengrenzen, in die Frontex verwickelt sein soll, wie z.B. in Artikeln der Zeit vom 05.08.2019.7 Dabei ist Frontex kaum juristisch belangbar, da die EU – und das ist leider kein Witz – die europäische Menschenrechtskonvention bis heute nicht unterzeichnet hat.8

Außerdem trifft sich Frontex häufig mit Vertretern der Waffenlobby, was die Anfang Februar veröffentlichten Frontexfiles zeigen.9 Ziel von Frontex ist es, anstatt der Boote, die auch zu mehr Rettungseinsätzen verpflichten würden, mehr Drohnen und Flugzeuge zu kaufen.10 Der ´Vorteil´ für Frontex läge dann darin, in Not geratene Menschen im Mittelmeer nicht mehr retten zu müssen, sondern im Ernstfall ertrinken lassen zu können. Offiziell muss Frontex dann nur noch eine Küstenwache verständigen. Falls diese überhaupt eingreift, kann es für die Menschen in Not zu spät sein.11

Damit muss man leider festhalten, dass europäisches Migration-Flow- Management nichts anders als das Outsourcen von Menschenrechten ist – an Staaten wie Libyen, in denen die Menschen gefoltert werden.

Die europäische Flüchtlingspolitik ist somit, kurz zusammengefasst, menschenverachtend. Deswegen müssen wir über dieses Thema reden. Und deswegen sollte Gerlingen auch dem Projekt Seebrücke beitreten, um ein Signal dahingehend zu setzen, dass wir als Stadt die Politik dazu auffordern, mehr geflüchtete Menschen aufzunehmen und sich gegen diese menschenverachtende EU-Flüchtlingspolitik zu stellen. Wir hoffen sehr, dass der Antrag im Gemeinderat eine Mehrheit findet.

Für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Gemeinderat

Björn Maier

 

1www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen/

2www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/mittelmeer/

3www.youtube.com/watch

4www.youtube.com/watch

5www.youtube.com/watch

6www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-studie-belegt-folter-und-vergewaltigung-von-fluechtlingen-a-1259372.html

7www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/eu-agentur-frontex-gewaltexzesse-eu-aussengrenzen

8www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/214819/europaeische-menschenrechtskonvention

9frontexfiles.eu

10www.youtube.com/watch

11www.buzzfeed.de/recherchen/libyen-soll-fuer-die-eu-menschen-im-mittelmeer-retten-doch-die-kuestenwache-geht-nicht-ans-telefon-90134116.html

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