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Mobilitätskonzept in Gerlingen – eine vertane Chance

Kurz nach Antritt unseres Bürgermeisters Dirk Oestringer ist unsere Fraktion mit Vorschlägen auf die Stadt zugegangen, wie man den Fahrrad- und Fußverkehr in Gerlingen attraktiver gestalten könnte. Weil das Thema Verkehr auch im ISEK-Prozess eine zentrale Rolle eingenommen hat, wurde daraufhin ein Mobilitätskonzept in Auftrag gegeben. Ziel war, dass Stadtverwaltung, Gemeinderat und die Bevölkerung zusammen ein Konzept entwickeln, welches den Verkehr in Gerlingen nachhaltiger gestalten sollte. Wir sind vom bisherigen Ergebnis, welches im Bürgerportal der Stadt Gerlingen einsehbar ist, sehr enttäuscht. Im Folgenden einige Argumente, warum wir Grüne in der Gemeinderatssitzung am kommenden Dienstag nicht zustimmen werden.

  1. Das Verfahren war wenig integrativ: Zwar wurde ein Projektbeirat installiert, der das Mobilitätskonzept mit begleiten sollte und bei dem ausgewählte Vertreter*innen der Gerlinger Bürgerschaft beteiligt waren. Jedoch wurden in den beiden Sitzungen überwiegend Ergebnisse präsentiert und für ergebnisoffene Diskussionen wie bei ISEK blieb keine Zeit. Im Endeffekt wurden die wesentlichen Entscheidungen hinter verschlossenen Türen gefällt.
  2. Die Zielsetzung ist absolut unzureichend: Der Landkreis Ludwigsburg will bis 2040 klimaneutral werden. Dies setzt voraus, dass auch im Verkehrssektor vermehrt auf die öffentlichen Verkehrsmittel, den Fahrrad- und den Fußverkehr gesetzt wird. Das formulierte Ziel, diesen sogenannten Umweltverbund bis 2035 von 52% auf 60% zu steigern, ist nicht ambitioniert. Es ist vielmehr zu erwarten, dass sich dieses Ziel aufgrund steigender Benzinkosten von alleine erfüllt, ohne dass konkrete Maßnahmen getroffen werden. Weiterhin sind alle anderen Ziele sehr schwammig formuliert und damit kaum überprüfbar.
  3. Falsche Schlussfolgerungen: Der Fahrradverkehr wird laut dem Gutachten des Mobilitätskonzeptes in Gerlingen unterdurchschnittlich bewertet. Wie man beim Wunschliniennetz für den Radverkehr auf die Idee kommen kann, im Innenstadtbereich die völlig überfüllten Hauptverkehrsstraßen auszuweisen, ist nicht nachvollziehbar. Auch sind viele andere Straßen ausgewiesen, wie z.B. die Brennerstraße, die wegen der Parksituation und dem wenigen Platz für Fahrradfahrer*innen unattraktiv sind. Auf Nachfrage im technischen Ausschuss, welche Maßnahmen für diese Bereiche getroffen werden könnte, um sie für den Fahrradverkehr attraktiver zu machen, bekamen wir keine wirkliche Antwort, da die Stadt davon ausgeht, dass bei Tempo 30 Autos und Radfahrer*innen problemlos zusammen die Straßen verwenden können. Eine Alternative wäre jedoch, für den Radverkehr neue Routen auf Nebenstraßen anzubieten, die vom Durchgangsverkehr befreit sind.
  4. Radverkehr zur Schule wird nicht verbessert: Gerade zu den Stoßzeiten vor Schulbeginn und nach Schulende fahren in Gerlingen besonders viele Menschen mit dem Fahrrad. Leider wird die problematische Situation in der Jahnstraße, die eine Gefährdung für Radfahrer*innen darstellt, nicht behoben. Stattdessen wird die offizielle Route zur Schule so gelegt, dass sie von den meisten Jugendlichen nicht benutzt werden wird.
  5. Innovation? Fehlanzeige: das Mobilitätskonzept lässt bisher überhaupt nicht erkennen, wo innovative Maßnahmen entwickelt werden könnten, die die Mobilität in Gerlingen nachhaltiger gestalten würden.
  6. Zeit zum Handeln für Gemeinderäte zu eng: Die Unterlagen für das Mobilitätskonzept wurden erst knapp vor der Abstimmung im technischen Ausschuss und im Gemeinderat öffentlich zugänglich gemacht. Somit blieb uns keine Zeit, die Vorschläge mit Interessierten der Bürgerschaft zu diskutieren.

Wir könnten diesen Artikel mit noch vielen weiteren Problemen untermauern. Wie soll z.B. die Situation für Fußgänger:innen an den vielen Engstellen in Gerlingen verbessert werden? Wo werden sinnvolle Fußverkehrsverbindungen geschaffen? Warum sind wichtige Radverbindungen, wie die über den Wald bei der Straße im Stöckach nur als Freizeitroute ausgewiesen, obwohl diese eine gefahrenfreie Strecke für E-Bikes auf die Schillerhöhe (und den dortigen Arbeitsplätzen) bietet. Wir vermuten, dass die Stadt die Kosten sparen will, die die Sanierung der Straße im Stöckach verursachen würden.

Kurz zusammengefasst: Das Mobilitätskonzept setzt sich wenig ambitionierte Ziele, die dazu auch noch schwammig formuliert sind. Es werden falsche Schlüsse aus den erhobenen Daten gezogen und bisher weist das Konzept keinen Ansatz für innovative Regelungen auf. Die Bürgerschaft wurde im Prozess trotz des Projektbeirats nicht wirklich beteiligt.

Wir hoffen sehr, dass wir uns irren und noch zielführende und innovative Maßnahmenvorschläge folgen werden, die im Projektbeirat und mit der Bürgerschaft ausreichend diskutiert werden können – uns fehlt aufgrund der bisherigen Erfahrungen dazu jedoch der Glaube…

Für die Fraktion und die Partei der Grünen in Gerlingen

Björn Maier

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