Am 12. September hat das Europäische Parlaments zum ersten Mal einen
Bericht beschlossen, um dem Rat formell ein Verfahren nach Artikel 7
EU-Vertrag wegen Verletzung der europäischen Werte durch einen
Mitgliedstaat vorzuschlagen. Grüne, Sozialdemokraten, Liberale, Linke
und die Mehrheit der Christdemokraten sowie die italienische
Fünf-Sterne-Bewegung haben für den Bericht gestimmt (448 Ja-Stimmen).
Gegen den Bericht gestimmt hat eine fragwürdige Allianz der restlichen
Christdemokraten, vor allem von Viktor Orbans Fidez, sowie der
Rechtskonservativen und der Rechtspopulisten inklusive der AfD (197
Nein-Stimmen).
Der Bericht der Grünen Berichterstatterin des Parlaments, Judith
Sargentini aus den Niederlanden, dokumentiert den Verfall von
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Ungarn mit Veröffentlichungen
internationaler Organisationen und Gerichte. Die wichtigsten Vorwürfe
betreffen die Einschränkungen der Gewaltenteilung, vor allem des
Verfassungsgerichts, mangelhafte Transparenz der Parteien- und
Wahlkampffinanzierung, Korruption, Einschränkungen der Medienfreiheit
und der Redefreiheit.
Nun muss der Rat der Mitgliedstaaten entscheiden, ob er der Empfehlung
des Europaparlaments zur Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 7
EU-Vertrag folgt. Das Verfahren kann bis zum Entzug des Stimmrechts
Ungarns im Rat führen. Die EU-Kommission prüft außerdem Folgen für den
Bezug von EU-Fördermitteln.
Dazu sagt der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen
Parlament, Sven Giegold:
“Das ist eine historische Entscheidung. Ich freue mich mit Judith
Sargentini über diesen Erfolg. Der Bericht zeigt schwarz auf weiß,
welchen Demokratieverächter Bayerns Ministerpräsident Söder oder
Innenminister Seehofer beklatschen. CSU-Politiker Seehofer und Söder
sollten sich an ein Beispiel an ihrem Parteikollegen Weber nehmen. Sie
dürfen nicht weiter gemeinsame Sache mit Orban machen. Das Schweigen von
Merkel gegenüber Orbán muss ein Ende haben.”
Es ist das richtige Zeichen, dass eine Delegation des Innenausschusses
des Europaparlaments schon nächste Woche Malta und die Slowakei besucht.
In der nächsten Plenarsitzung wird der Abbau der Rechtsstaatlichkeit in
Rumänien im Plenum diskutiert. Liberale und Sozialdemokraten in Rumänien
oder Sozialdemokraten in Malta und der Slowakei müssen die Klarheit des
Europaparlaments genauso spüren wie die Christdemokraten in Ungarn.