Seidenspinner und Rösler hatten bei einem Blick in die Zukunft hohe Übereinstimmung: Die Erhöhung von 800 Einstellungen pro Jahr zu Zeiten von CDU und FDP auf jetzt aktuell 1.400 jährlich unter Grün-Rot sei ein großer Schritt in die richtige Richtung. Konsens bestand auch darin, dass gute Deutschkenntnisse in Schrift und Sprache weiterhin große Bedeutung besitzen - "hier besteht bei einigen Bewerberinnen und Bewerbern deutlicher Nachholbedarf". Von 100 für den Polizeidienst Aufgenommenen schließen nur rund 80 Prozent der Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter ihre Ausbildung ab. "Das wird derzeit noch nicht berücksichtigt in der Personalplanung für die Polizei, daher sehen wir Bedarf, die Anzahl der Ausbildungsplätze pro Jahr nochmals zu erhöhen", so Seidenspinner. Der GdP-Landesvorsitzende begründet dies unter anderem mit neuen Aufgaben für die Polizei, aber auch einem generellen Bedarf von mindestens acht Personen je Schicht anstelle von fünf Personen je Schicht wie teilweise bisher.
"Das bedeutet allein beim Kriminaldauerdienst und beim Verkehrsunfalldienst landesweit rund 480 Stellen zusätzlich. Wir sind uns aber mit der jetzigen Landesregierung einig: Das ist eine Sache, die langsam wachsen muss. Für den Aufwuchs brauchen wir Zeit, denn für diese schwierigen Aufgaben benötigen wir nach der Ausbildung auch Berufserfahrung", betonen Rösler und Seidenspinner gemeinsam.
Im Gespräch bestand Konsens, dass die vielen zusätzlichen Aufgaben der Polizei, angefangen von der Internetkriminalität bis hin zu mehr Einsätzen im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften - sowohl wegen Anschlägen gegen die Flüchtlinge als auch wegen Problemen zwischen den Flüchtlingen selbst - bis hin zu Fußballspielen einen Mehrbedarf an Polizeibedarf bedeuten. "Wenn Vertreter von CDU und FDP aktuell mehr Personal für die Polizei fordern, freut uns das grundsätzlich. Allerdings muss ich schon darauf hinweisen, dass, in der Regierungszeit von CDU und FDP 1.000 Stellen bei der Polizei abgebaut wurden. Die Forderung der Opposition lautet also im Kern, ihre eigenen Fehler rückgängig zu machen", kommentiert Seidenspinner die öffentliche Debatte um einen erhöhten Personalbedarf bei der Polizei.
Seidenspinner dankte auch für die Bereitstellung von 172 Millionen Euro für den seit 2001 geplanten Digitalfunk bei der Polizei: "Das verzögerte sich über viele Jahre, die bereits eingestellten Gelder wurden von der Vorgängerregierung wieder gestrichen oder anderweitig ausgegeben - jetzt aber läuft das Ganze, weil Grün-Rot die 172 Millionen erneut in den Haushalt eingestellt hat."
Ein schwieriges, auch von Grün-Rot bisher ungelöstes Problem sei allerdings die Umsetzung der Arbeitszeitverordnung der EU unter anderem mit einer Mindestdauer von elf Stunden Pause zwischen den Schichten: "Die wird überall umgesetzt, nur bei uns nicht". Laut Seidenspinner müsste dafür der landesweit bewährte Schichtbetrieb komplett umgestellt werden. "Das ist sehr kompliziert und würde auch polizeiintern sehr schwierig werden. Trotzdem setzen wir uns dafür ein, dass wir gemeinsam überprüfen, wie eine Umsetzung angegangen werden kann.
Eine neue, von Grün-Rot erst vor wenigen Wochen grundsätzlich beschlossene Maßnahme für die Polizei ist die "Bodycam" für die Polizei. Damit sollen Polizisten zu ihrem eigenen Schutz dokumentieren können, ob beziehungsweise wie sie beleidigt oder angegriffen werden. "Es ist unglaublich, welche Beschimpfungen sich gerade auch unsere Polizistinnen anhören müssen. Das hat sich die letzten zehn oder 20 Jahre deutlich geändert, leider zum Negativen", klagt Seidenspinner. Der Gewerkschafter setzt sich für Bodycams als Probelauf an Brennpunkten ein - zuerst bei Fußballspielen mit Hooligans und in einschlägig bekannten Kneipenvierteln wie dem Freiburger "Bermudadreieck". "Dann können wir die Erfahrungen auswerten und sehen, wo diese mit 4.000 Euro bis 5.000 Euro je Exemplar ja sehr teuren Geräte weiter eingesetzt werden - sicherlich nicht im normalen Streifendienst oder in Wohnungen." Rösler befürwortete einen derartigen Probelauf eindeutig.
Zum Schluss des Gespräches äußerte Seidenspinner noch vier Wünsche für die nächste Legislatur, sozusagen "über den Tag hinaus":
1) Das Einführen der zweigeteilten Laufbahn. "Da werden immer noch teils hochqualifizierte Kolleg/innen in den Mittleren Dienst eingestellt."
2) Das Einführen eines neuen Ausbildungsberufes der Polizeifachangestellten. "Damit verbunden wäre eine bessere Bezahlung. Die Kolleginnen und Kollegen werden bisher teilweise in EG 6 oder niedriger eingestellt und gehen dann auch in die Entgeltgruppe in Rente. Wir als GdP müssen auch an die Tarifbeschäftigten, also Nicht-Beamte, denken."
3) Wie geht es weiter mit den Polizeiärzten? "Wir kriegen fast keine Polizeiärzte mehr, die Bezahlung ist gering im Vergleich zu Ärzten in Kliniken oder Praxen."
4) Ein verbesserter Arbeitsschutz. "Der liegt brach, kostet natürlich auch viel Geld. Das geht von Fragen der Körperhaltung beim Sitzen über das Tragen schwerer Schutzausrüstungen über längere Zeit. Wir stehen als Gewerkschaft in der Verantwortung, uns um die Gesundheit der Polizistinnen und Polizisten im Land zu kümmern."
Unterm Strich blieb bei Seidenspinner und Rösler der gemeinsame Eindruck, daß die letzten fünf Jahre sowohl beim Personal wie bei Sachleistungen erhebliche zusätzliche Anstrengungen für die Polizei unternommen wurden.