Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass von der Regionalversammlung in der zweiten Offenlegung das im Gerlinger Stadtwald befindliche Vorranggebiet für Windräder LB-01 abgelehnt wurde.
Daraufhin fand mit Angela Brüx und Leon Buchholz, zwei Mitgliedern von Bündnis90/Die Grünen in der Regionalversammlung, eine Aussprache statt, bei der sie die Hintergründe zu der Entscheidung des Gremiums dargelegt haben. Bei dem Termin meldete sich auch ein ehemaliges Mitglied der Regionalversammlung zu Wort, die den Prozess aktiv begleitet hat. Sie erzählte, dass im Zuge der ersten Offenlegung der Abstand zur Bebauung und die Windverhältnisse als einzige Kriterien zur Ausweisung von Flächen für Windräder herangezogen wurden. Daraus ergaben sich große Gebiete in der Region Stuttgart. In der Regionalversammlung herrschte eine sehr motivierte und positive Stimmung, die Stromerzeugung durch Windkraft in der Region schnell voranzutreiben. Nun, ein paar Jahre später und zur zweiten Offenlegung, hätte sich die Stimmung vollkommen geändert. Auf maßgeblichen Betreibens einzelner Gruppen wurden zahlreiche Gebiete abgelehnt, sodass inzwischen nur noch die gesetzlich vorgeschriebenen 1,8 % der Gesamtfläche übrig sind.
Nun stelle ich mir die Frage: Was hat diesen Meinungsumschwung bei den Mitgliedern der Regionalversammlung bewirkt? Ist die Klimakrise zwischenzeitlich anderweitig gelöst?
Ist es in der Zwischenzeit wieder zu verantworten, auf fossile Energieträger zu setzen?
Oder habe ich verpasst, dass die Strompreise gesunken sind, weil wir plötzlich sehr viel regenerativ erzeugten Strom aus der Nähe haben und keine neuen Windräder mehr benötigen?
Es ist nicht so, dass ich ein wahnsinnig großer Fan von Windrädern bin. Nicht nur der Betrieb, sondern oft auch schon die Montage sind ein großer Eingriff in die Landschaft. Auch sind viele Fragen noch nicht zufriedenstellend geklärt. Etwa, was mit veralteten Anlagen geschieht. Dennoch sind Windräder im Moment ein effektiver Weg, klimafreundlich Strom zu erzeugen. Und es steht außer Frage, dass CO2-Neutralität eine unserer drängendsten Aufgaben ist, um unseren Kindern eine lebenswerte Welt zu erhalten.
Deshalb ärgere ich mich sehr über die Entscheidung der Regionalversammlung. Mir ist bewusst, dass die Ausweisung des Waldstücks als Vorranggebiet noch nicht bedeutet hätte, dass dort sofort ein Windrad gebaut wird. Dazu wären noch sehr viele Gespräche mit vielen Betroffenen notwendig, ob wir dies als Stadtgesellschaft wirklich wollen. Und es müsste ein Investor für die Anlage gefunden werden. Mit der Ausweisung hätte die Stadt allerdings eine Möglichkeit in der Hinterhand, für die Zukunft regenerativen Strom erzeugen zu lassen — mit für die Stadt und den Bürgerinnen und Bürger beträchtlichen finanziellen Vorteilen. Durch die Entscheidung der Regionalversammlung wird uns in Gerlingen die Entscheidungshoheit über den Bau eines Windrads genommen.
Aus dem oben erwähnten Gespräch ging auch hervor, dass bei der Entscheidung der Mandatsträger das für mich sehr wichtige Argument des Naturschutzes wenig bis gar keine Rolle spielte. So hat sich außer der Fraktion der Grünen niemand für den Schutz der „Regenpfeifer-Acker“ bei Schwieberdingen, einem wichtigen Rastplatz für Zugvögel, eingesetzt. Wichtiger war dem Gremium demgegenüber die Sichtachse „Ludwigsburg-Solitude“. Ihr Erhalt hat maßgeblich dazu geführt, dass das Vorranggebiet LB-01 in unserem Stadtwald abgelehnt wurde. Es mag stimmen, dass ein dort gebautes Windrad beim Blick von Ludwigsburg zum Schloss Solitude sichtbar wäre. Mit diesem Argument müssten wir uns aber auch über viele andere Bauten, allen voran das Bosch-Hochhaus, mokieren. Es entsteht der Eindruck, dass einzelne Mandatsträger nach ihren Partikularinteressen abgestimmt haben und der Blick auf das große Ganze außer Acht geblieben ist.
Über allem stellt sich wieder die Frage, was wir wollen? Wollen wir verantwortungsbewusst für unsere Zukunft handeln, oder hängen wir so sehr am Bestehenden, dass wir den Kopf in den Sand stecken und so keine Lösung für dringende Probleme finden?
Am Ende des Gesprächs stand die Frage, ob wir diese Entscheidung akzeptieren müssen oder ob noch Möglichkeiten zur Intervention vorhanden sind. Solche gibt es durchaus. Die Stadt Gerlingen könnte ein Protestschreiben verfassen, um deutlich zu machen, dass sie ihre Entscheidungshoheit behalten möchte. Hierfür bräuchte es einen überzeugten Gemeinderat und eine nachdrückliche Positionierung unseres Bürgermeisters für ein mögliches Windrad.
Wir werden die Streichung des Windrad-Vorranggebietes LB-01 im Gemeinderat und in unserem Ortsverband weiter thematisieren und in enger Abstimmung mit den Vertreterinnen und Vertretern von Bündnis '90/Die Grünen in der Regionalversammlung alles unternehmen, um die Option auf Windenergie und die damit verbundenen ökologischen wie wirtschaftlichen Vorteile für Gerlingen zurückzuerlangen.
Angela Neuburger-Schäfer