In der letzten Sitzung des Gemeinderats wurde über die Straßennamen für das Neubaugebiet Bruhweg II abgestimmt. Eine Mehrheit hat sich dafür ausgesprochen, den Vorschlag zu Feldfrüchten/Getreidesorten anzunehmen.
Von dieser Entscheidung sind wir aus zwei Gründen enttäuscht. Zum einen hätten wir uns ein partizipativeres Verfahren gewünscht. Nachdem im Frühjahr durch einen Aufruf an die Bevölkerung Namensvorschläge eingebracht wurden, wurden diese Vorschläge von der Verwaltung zusammengeführt. Daraus entstand eine Liste von nur noch zehn Themen, aus denen der (nichtöffentliche) Ältestenrat ein Oberthema auswählte. Ein Expertengremium legte anschließend die einzelnen Straßennamen fest. An dieser Stelle hätten wir uns mehr Transparenz gewünscht. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Bevölkerung mithilfe einer digitalen Anwendung aktiv in den Abstimmungsprozess einzubeziehen. Dies wurde nicht getan, wodurch das Beteiligungsverfahren an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat: Die zu Beginn angekündigte Bürgerbeteiligung endet mit einer Entscheidung hinter verschlossener Tür.

Enttäuscht sind wir auch über das ausgesuchte Oberthema. Wir haben uns im Vorfeld dafür starkgemacht, die Straßen im Bruhweg II nach Frauen zu benennen. Dazu hat unsere stellvertretende Fraktionsvorsitzende Monja Sales Prado zwei Stellungnahmen im Gemeinderat eingebracht. Einmal in nichtöffentlicher Sitzung, kurz nachdem alle Vorschläge der Bevölkerung eingegangen waren. Ein zweites Mal in der öffentlichen Sitzung vergangene Woche vor der Abstimmung. Da wir Ihnen unsere Beweggründe nicht vorenthalten möchten, drucken wir im Folgenden die Stellungnahme von Monja Sales Prado im Wortlaut ab: „Im Frühjahr gab es dazu einen Aufruf an die Bevölkerung, Vorschläge für das Wohngebiet einzubringen.“ Heute werden wir in diesem Gremium den Beschluss zu den Straßennamen im wichtigsten Neubaugebiet für Gerlingen, den Bruhweg II, fassen. Das ist weit mehr als ein einfacher Verwaltungsakt. Es ist ein Symbol. Warum?
Weil die Stadt Gerlingen die Chance, Straßen in einem Neubaugebiet nach bedeutenden Frauen zu benennen, erneut verstreichen lässt. Weil es um Gleichstellung und um Sichtbarkeit dieses Rechts geht. Und es geht um die Frage, wie wir als Gemeinderat die Gesellschaft, in der wir und unsere Kinder leben, mitgestalten. Weil Gleichberechtigung nicht nur als Worthülse auf dem Papier stehen darf. Sie muss sichtbar, erlebbar und wichtig sein.
Straßennamen prägen unsere Stadtbilder und unsere Erinnerungskultur. Sie sind Teil des öffentlichen Raums und damit Teil unserer gemeinsamen Identität. Weil Frauen wie Männer, die Herausragendes geleistet haben, es verdienen, gleichermaßen sichtbar zu sein.
Diese Sichtbarkeit auch von Frauen ist ein klares politisches und gesellschaftliches Statement für die so oft in Reden betonte Gleichstellung und Vielfalt.
Es wäre ein wichtiger, vielleicht noch immer mutiger Schritt, der Vielfalt fördert und echte Veränderung erlebbar macht. Weil wir jungen Menschen Vorbilder zeigen möchten, die sie inspirieren und motivieren – nicht nur in Schulbüchern, sondern auch im Alltag.
Weil das mehrfach bei der Vorbereitung der Entscheidung im Ältestenrat genannte Argument, Straßen würden nicht mehr nach Personen benannt, falsch ist. In Nürnberg hat der Stadtrat 2018 einstimmig beschlossen, mehr Straßen nach Frauen zu benennen. Zwischen 2018 und 2025 wurden in Augsburg 28 Straßen nach Frauen benannt. Auch München benennt seit 2015 Straßen und Plätze bevorzugt nach Frauen.
In unseren Augen vergibt sich Gerlingen als Stadt eine große Chance, sich als fortschrittliche und offene Stadt zu präsentieren. Ich als Vertreterin der Fraktion Bündnis90/Die Grünen in diesem Gemeinderat bitte Sie, genau zu überdenken, welches Zeichen Sie für diese Stadt setzen möchten. Vielen Dank!“
Angela Neuburger-Schäfer