Sehr geehrter Herr Brenner,
unter Bezugnahme auf unseren Antrag „Erstellung einer Leitlinie für Bürgerbeteiligung in der Stadt Gerlingen“ sind wir der Auffassung, dass das Instrument des Bürgerhaushalts ein beispielhaftes Verfahren zur aktiven Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an kommunalen Entscheidungsprozessen ist. Wir beantragen daher den Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 2018, spätestens jedoch für 2019 nach den Methoden eines Bürgerhaushalts zu erstellen.
Eine beachtliche Anzahl auch von kleineren Kommunen nutzt inzwischen dieses Beteiligungsverfahren zur Aufstellung des Haushalts. Weitergehende Informationen finden sich in den Netzseiten buergerhaushalt.org und HaushaltsSteuerung.de.
Begründung
Nach dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) sind Bürgerhaushalte ein Instrument der Bürgerbeteiligung rund um die Verwendung von öffentlichen Geldern. Die Bevölkerung wird dabei möglichst umfassend und regelmäßig in die Planung von öffentlichen Ausgaben und Einnahmen und die Ermittlung von Prioritäten einbezogen. Folgende Merkmale sind für einen Bürgerhaushalt charakteristisch;
· im Zentrum stehen die finanziellem Angelegenheiten
· die Beteiligung findet auf der Ebene der ganzen Stadt statt
· das Verfahren zeichnet sich durch Dauer und Wiederholung aus
· des Verfahren ermöglicht einen öffentlichen Diskurs
· Politik und Verwaltung legen Rechenschaft über die Ergebnisse des Verfahrens ab
· Bürger/innen wirken am Prozess der Haushaltsaufstellung direkt und aktiv mit und können eigene Vorstellungen einbringen
Mit dem kommunalen Haushalt wird ein zentrales Steuerungs- und Verteilungsinstrument lokaler Politik zum Gegenstand von regelmäßig wiederkehrenden Beteiligungsprozessen. Die partizipative Öffnung des klassischen „Königsrechts des Parlaments“ verspricht eine Vertiefung demokratischer Praxis, denn es geht um den Kern lokaler Politik.
Immer mehr Städte und Gemeinden führen Beteiligungsverfahren zum kommunalen Haushalt ein. Der zuletzt vorgelegte 8. Statusbericht des Portals Bürgerhaushalt weist für 2015 insgesamt 71 Kommunen (über 40.000 Einwohner) mit einem Bürgerhaushalt aus.
Die Ziele eines Gerlinger Bürgerhaushalts können wie folgt beschrieben werden:
Die Gerlinger Bürgerinnen und Bürger
· sollen besser über den städtischen Haushalt und die Vorhaben der Stadt informiert werden
· werden stärker in die Aufstellung des Haushalts einbezogen
· sollen sich dadurch mehr mit ihrer Stadt identifizieren können
· setzen durch ihre Vorschläge und Bewertungen eigene Prioritäten und geben dem Gemeinderat und der Verwaltung damit eine Entscheidungshilfe
Bürgerhaushalte sind eine vertrauensbildende Maßnahme, die dem verbreiteten Misstrauen zwischen Politik und Bürgerschaft etwas entgegen setzen kann. Sie enthalten ein anspruchsvolles direkt-demokratisches Versprechen für eine kontinuierliche Beteiligungsperspektive mit folgenden Erwartungen:
1. Transparenz schafft Vertrauen
Bürgerhaushalte schaffen Transparenz über die Verwendung öffentlicher Mittel. Transparenz stärkt das Vertrauen der Bürger in die Politik.
2. Information befähigt zu Verständnis und Einschätzung
Bürger lernen die Komplexität kommunaler Finanzen kennen. Informierte Bürger können Entscheidungen der Politik so besser nachvollziehen und abwägen.
3. Höhere Identifikation mit der Stadt
Bürger, die per Bürgerhaushalt ihre Stadt aktiv mitgestalten können, identifizieren sich mehr mit ihrer Stadt. Das fördert das positive Image der Stadt auch nach außen hin.
4. Förderung politischer Bildung und politischen Engagements
Durch die Beteiligung lernen Bürger mehr über demokratische Prozesse und warum ihre Stimme wichtig ist. Die Möglichkeit der Beteiligung fördert das politische Interesse und Engagement der Bürger.
5. Wertvolle Vorschläge und Hinweise
Bürgerwissen und -ideen sind eine wertvolle Ergänzung zu den Fachkenntnissen der Verwaltung. Sie helfen der Verwaltung auch Maßnahmen zu priorisieren.
6. Mittel zur Verwaltungsmodernisierung
Bürgerhaushalte sind ein Mittel zur Verwaltungsmodernisierung. Die Verwaltung kann besser auf die Bedürfnisse der Bürger eingehen.
7. Beteiligung fördert Akzeptanz von Entscheidungen
Informierte und beteiligte Bürger verstehen, dass die Ressourcen begrenzt und die Wünsche der Bevölkerung vielfältig sind.
8. Beteiligung fördert Legitimation von Entscheidungen.
Bürgerhaushalte tragen zur Legitimation politischer Entscheidungen bei.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Stegmaier Dr. Ewald Bischoff Rolf Schneider
Bündnis 90 / Die Grünen Fraktion im Gerlinger Gemeinderat
Eingebracht: 21.05.2017
Beraten: 30.05.2017 Gemeinderat
Entscheidung: abgelehnt