Der Haushaltsplan 2022 liegt vor. Die vergangenen Jahre zeigen uns, dass verbindliches Planen immer schwieriger wird, weil sich die Rahmenbedingungen verändern, ohne dass wir das voraussehen können. Die Klimakrise, die Corona-Pandemie und nun der Rückfall in einen abscheulichen Krieg setzen Dynamiken in Gang, die nicht mehr berechenbar sind. Diesen Haushaltsplan haben wir, der Gemeinderat gemeinsam mit der Stadtverwaltung, mehrfach justiert und diskutiert. Das war harte Arbeit, ein großes DANKE an die Stadtverwaltung, insbesondere die Kämmerei, die uns Zahlen Daten und Fakten transparent und verständlich zur Verfügung stellte, eine gute Basis für Entscheidungen.
Die Ernte der vergangenen fetten Jahre haben wir gut verwendet: Die Sanierung der Realschule, der Neubau der Sporthalle sind Investitionen in die Zukunft. Wir haben Konzepte für Bauen und Wohnen sowie Mobilität und Radverkehr erarbeitet, die wir jetzt Schritt um Schritt optimieren und umsetzen. Unsere besondere Aufmerksamkeit liegt auf dem Mobilitätskonzept: wir brauchen eine ausgewogenen Berücksichtigung der Fußgänger und Radfahrer:innen - da sehen wir noch Potenzial! Zum Jahresende sind unsere Ersparnisse aufgebraucht, und die Kosten sind höher als die prognostizierten Einnahmen. Trotzdem geht es uns in Gerlingen noch gut im Vergleich zu anderen Kommunen, doch das Ziel des Haushalts ist und bleibt eine Grüne Null, d.h. Ökologie und Soziales ist einkalkuliert.
Unsere Steuereinnahmen haben wir sehr vorsichtig kalkuliert – die globalen Veränderungen haben direkten Einfluss auf die Wirtschaft. Auch die Unternehmen haben große Aufgaben vor sich: auch sie müssen mehr die ökologischen und sozialen Wirkungen berücksichtigen und Maßnahmen dazu umsetzen. Das Steigen der Energiekosten ist für die Wirtschaft und Gesellschaft eine finanzielle Herausforderung aber auch eine Chance für klimaneutrale Innovationen. Wenn Wirtschaft und Gesellschaft an einem Strang ziehen, bietet das Möglichkeiten für neue Branchen und Geschäftsmodelle, die sich auch hier in Gerlingen etablieren können.
Wir haben Möglichkeiten des Sparens gefunden: Die neuen, mehrjährigen Bepflanzungen der städtischen Beete, insbesondere in der Hauptstraße ersparen der Stadt jedes Jahr einen 6-stelligen Betrag. Und sie fördern die Biodiversität! Wir, der Gemeinderat und die Stadtverwaltung prüfen auch zukünftig jede Position auf Einsparmöglichkeiten.
Unser Haushaltsplan ist vorläufig, die jüngsten Herausforderungen, die durch den Russland Krieg auf uns zukommen werden, sind hier noch nicht berücksichtigt. Wir sind nicht ohne Plan, aber wir sind uns darüber im Klaren, dass ein Plan nur vorläufig funktioniert. Wir werden uns auf finanzierbare Schwerpunktthemen fokussieren - unsere Grünen Schwerpunkte sind folgende:
Nachhaltige Mobilität und Radverkehr: Wir wissen, dass sich unsere Bürgerschaft mehr Radwege wünscht, nicht erst seit ISEK. Die Aufenthaltsqualität einer Stadt misst sich auch an der Ausgewogenheit der Möglichkeiten für Radfahrer, Fußgänger und Autofahrer.
Hohes Verkehrsaufkommen führt zu hoher Feinstaubbelastung, der durch die Verbrennung fossiler Energieträger und durch Abrieb von Bremsen und Reifen erzeugt wird. Luftschadstoffe schwächen die Abwehrkräfte des Körpers, man spricht inzwischen von einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber SARS-CoV-2.
Sichere Rad- und Fußwege, weniger Verkehr, mehr Aufenthalts- und weniger Parkflächen sind unser Vorschlag für eine attraktive und gesunde Innenstadt. (Ansprechpartner Björn Maier)
Bauen und Wohnen: mehr bezahlbares Wohnen steht schon seit vielen Jahren auf unserer Agenda. Gerlingen besitzt einige Gebäude und Grundstücke, die im Moment nur eingeschränkt genutzt werden. Das müssen wir ändern! In einer Gemeinderatsklausur haben wir ein Eckpunktepapier verabschiedet, unser Leitfaden für Entscheidungskriterien. Wir werden zukünftig Konzeptvergaben machen - damit haben Investoren und Bauträger klare Vorgaben in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Fairness. Bis dieser Stellhebel wirkt, dauert es noch, doch beim Baugebiet Bruhweg werden wir sicher eine Veränderung feststellen zwischen den oft ausschließlich renditeorientierten Bauprojekten der Vergangenheit und dem was in Zukunft möglich wird. Wir begrüßen den Beschluss des Technischen Ausschusses für die Einholung einer Machbarkeitsstudie für effiziente Wärmenetze, speziell für das Baugebiet Bruhweg, erwarten eine wohnungstechnische Umsetzung für die Jahnstrasse 7 und Gartenstraße 9 und wünschen uns eine Eliminierung der Gerlinger Schmuddelecke Querstraße. (Ansprechpartner: Rolf Schneider)
Die Umsetzung unseres interfraktionellen Antrags gemeinsam mit Jungen Gerlingern, FDP und SPD auf Festsetzung der Kinderbetreuungsgebühren auf Basis des Einkommens werden wir nicht aus den Augen verlieren. Wir wissen um die Arbeitslast, insbesondere im Amt für Jugend, Familie und Senioren. Doch andere Städte machen es uns vor und es gelingt. Die Umstellung ist arbeitsreich und wird sicher zu Konflikten führen, doch müssen wir endlich eine gerechte Berechnung der Kosten anbieten, prozentual auf Basis des Einkommens. Berufstätige Eltern können mehr bezahlen als Alleinerziehende im Teilzeitjob. Es sollen diejenigen am meisten profitieren, die es am dringendsten brauchen. Damit ermöglichen wir Kindern auch einen besseren Zugang zu Bildung und Kultur, einfach weil Eltern mehr finanzielle Mittel zur Verfügung haben. (Ansprechpartnerin: Angela Neuburger)
Ein weiteres wichtiges Thema für unsere Jugendlichen: es fehlt noch immer ein akzeptierter Treffpunkt im öffentliche Raum für Jugendliche. Ich bin seit 2014 Gemeinderätin und jedes Jahr steht das Thema auf der Agenda, leider bis heute ohne Ergebnis. Kinder und Jugendliche erdulden nun schon zwei Jahre massive Einschränkungen wegen der Corona Pandemie, sie brauchen unsere Solidarität und Toleranz. (Ansprechpartner: Björn Maier)
Und noch ein Herzensanliegen von uns Grünen: Unser Antrag auf nachhaltige Beschaffung ist immer noch unbearbeitet. Auch hier haben wir großes Verständnis für die Arbeitslast in der Kämmerei. Doch auf dem Weg in eine klimaneutrale Kommune ist das ein sehr wichtiger Baustein und auch die gesetzlichen Vorgaben werden sich ändern. (Ansprechpartnerin: Ulrike Stegmaier)
Wir unterstützen gerne weiteren Personalaufbau und Gelder, um Veränderungsprojekte auf den Weg zu bringen. Das sind Investitionen in die Zukunft, die wir aufbringen müssen.
Und wir werden mehr Personal brauchen – es werden viele Menschen zu uns kommen: auf der Flucht vor Krieg, vor politischer Verfolgung, Menschen, deren Umwelt sich so verändert, dass sie dort nicht mehr leben können. Die Hilfsbereitschaft und Solidarität ist riesig. Das was unsere Bürger und Bürgerinnen hier in Gerlingen und überall auf der Welt auf den Weg bringen ist berührend und beindruckend. Und es kann doch nicht sein, dass die Auswirkungen und Kosten politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen, die zu Klimawandel und Krieg führen, vom ehrenamtlichen Engagement bewältigt werden. Die Kommunen brauchen Strukturen und ausreichend Personal, um diese langfristigen gesellschaftlichen Veränderungen zu steuern und die Infrastruktur dafür aufzubauen. Wir appellieren an die Wirtschaft, sich zu beteiligen, durch Spenden und auch durch unterstützende Leistungen. Beeindruckend die Aktion der Spedition Heck, die hier sofort aktiv geholfen hat. Und wir appellieren an die Landes- und Bundespolitik, entsprechende Regelungen und Standards auf den Weg zu bringen.
Die Schwerpunkte unseres Haushalts 2022 haben zum Ziel, die lokalen Strukturen zu stärken, eine lebenswerte Stadt für unsere Bürgerschaft zu bleiben, den Klimawandel überall mitzudenken und bei den Kosten dafür die Effektivität zu gewährleisten. Das ist für ein ehrenamtliches Gremium, und das ist der Gemeinderat, eine anspruchsvolle Aufgabe, der wir uns gerne stellen. Wir freuen uns über und danken für die Wertschätzung und aktive Mitarbeit aus der Bürgerschaft.
Gerlingen, 6. April 2022
Ulrike Stegmaier Björn Maier Angela Neuburger Rolf Schneider