Wenn es nach den konservativen Hardlinern in Deutschland ginge, müsste Griechenland aus der Eurozone austreten – ein Schritt mit fatalen wirtschaftlichen und sozialen Folgen, meinen der finanzpolitische SprecherGerhard Schick und der Sprecher für Europapolitik Manuel Sarrazin von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag.
Hier die leicht gekürzte Fassung ihre Artikels vom 16.03.2015 in profil:GRÜN:
Gemeinsam aus der Krise
Die Wahl in Griechenland hat die politischen Verhältnisse dort auf den Kopf gestellt und ganz Europa aufgeschreckt. Das ändert nichts daran, dass Europa und Griechenland eine gemeinsame Lösung der fortwährenden Krise finden müssen. Die Bundesregierung muss sich dazu durchringen, nicht weiter die Investitionen zu blockieren, die Europa so dringend braucht.
Die Griechen haben bei der Wahl im Februar die politischen Verhältnisse umgekrempelt. Die Partei Syriza wurde zur Alternative für viele Menschen, die die bisherige Krisenpolitik leid waren und nicht minder die als herabwürdigend empfundenen Debatten, die gerade auch in Deutschland geschürt wurden. Zugleich haben die Griechen das alte System einer Vetternwirtschaft nach Parteibuch bis in die untersten Posten des öffentlichen Dienstes abgewählt. Allerdings wird Syriza von Teilen genau dieses Systems auch unterstützt.
Wie zuletzt sind nun aber Koalitionen zur Regierungsbildung notwendig. Umso bedauerlicher, dass Syriza sich direkt nach gewonnener Wahl für eine Koalition mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen entschieden hat. Dabei hätte es mit der deutlich stärker europaorientierten Partei To Potami eine Alternative gegeben.
Griechenland muss im Euro bleiben
Nach dem Machtwechsel in Griechenland weht ein neuer Wind. Und für uns ist klar: Griechenland hat eine Zukunft in der europäischen Währungsunion. Das Gebot der Stunde ist, für alle Seiten tragbare und vernünftige Kompromisse zu verhandeln. Dazu gehört, dass die griechische Regierung neue Wege zur Haushaltskonsolidierung geht. Dringend notwendige Strukturreformen muss sie gegen einflussreiche Klientelgruppen durchsetzen:
Die Reform der Steuerverwaltung, um Einnahmen zu erhöhen und Steuerhinterziehung zu vermeiden.
Reformen bei Effizienz der Verwaltung und Rechtsstaatlichkeit . Die Korruptionsbekämpfung bleibt eine zentrale Aufgabe.
Maßnahmen gegen Armut und Arbeitslosigkeit.
Geht sie diese Aufgaben entschlossen an, sollte die Euro-Zone ihren Weg mit Erleichterungen bei Zinsen und Kreditlaufzeiten unterstützen. Auch weitere Schuldenerleichterungen dürfen mittelfristig kein Tabu sein. Griechenland braucht zudem dringend mehr Investitionen in die Zukunft und muss sich dabei auf die Unterstützung der EU verlassen können. Die grüne Bundestagsfraktion wird sich dafür einsetzen, dass europäische Investitionen vor allem den am stärksten betroffenen Krisenländern zukommen. Dazu bedarf es jedoch sinnvoller Projektvorschläge.
Griechenland hat enormes Investitionspotenzial, beispielsweise im Ausbau erneuerbarer Energien oder in nachhaltiger Landwirtschaft und im Öko-Tourismus. Europa ist wirtschaftlich in einer gefährlichen Lage. Die Krise ist noch nicht vorbei. Die Schuldenquoten der Krisenländer sind weiter angestiegen, ihre Wirtschaftsleistung stagniert oder ist eingebrochen, die Arbeitslosigkeit ist besorgniserregend hoch, besonders unter Jugendlichen.
Einige Länder wie Spanien und Griechenland, aber neuerdings auch Deutschland, haben negative Inflationsraten. Dadurch steigt die Schuldenlast weiter an. Die Deflationsgefahr nimmt seit Monaten zu. Wenn aber die Preise auf breiter Front stagnieren oder gar verfallen, lähmt das die Bereitschaft zu Investitionen und führt direkt in eine Abwärtsspirale. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt das Risiko, dass es so kommen könnte, derzeit auf 30 Prozent.
Die wirtschaftliche Entwicklung Europas driftet immer mehr auseinander, statt zu gemeinsamer Wohlfahrt beizutragen. In dieser Situation gibt es zwei Optionen: Entweder nur die Europäische Zentralbank (EZB) handelt und ergreift geldpolitische Maßnahmen. Das geschieht im Moment. Oder auch die europäischen Regierungen übernehmen Verantwortung und ermöglichen realwirtschaftliche Investitionen. Mit der Investitionsoffensive von Kommissionspräsident Juncker liegt ein erster Vorschlag auf dem Tisch. Doch die Bundesregierung steht auf der Bremse. Anstatt mit einem finanziellen Beitrag Deutschlands aktiv dazu beizutragen, dass der geplante EU-Investitionsfonds zum Erfolg wird, bleibt sie passiv.
Merkel bleibt passiv, die EZB handelt
Doch das Instrumentarium der Europäischen Zentralbank (EZB) , zum Beispiel Leitzinssenkungen, ist längst ausgereizt. Daher geht die EZB unkonventionell vor und kauft Unternehmens- und Staatsanleihen auf. Die englische und die US-amerikanische Zentralbank haben Ähnliches bereits vor Jahren praktiziert.
Wie gut das jedoch wirkt, ist fraglich. Die stark überschuldeten Haushalte und Unternehmen, gerade im Süden Europas, bauen eher weiter Schulden ab, als neue aufzunehmen. Das billige Geld regt also nicht unbedingt produktive Investitionen an, sondern erhöht die Gefahr spekulativer Blasen, so im Immobiliensektor.
Zeit für einen Green New Deal
Wir wollen die Krise als Chance nutzen. Aus unserer Sicht ist es falsch, die Stabilisierung der europäischen Wirtschaft allein der EZB aufzubürden. Vielmehr sollten auch die EU und die Mitgliedstaaten ihren Teil dazu beitragen. Dazu braucht es so viele zusätzliche öffentliche und private Investitionen, dass die daraus entstehende zusätzliche Nachfrage den Abwärtstrend bei Preisen und Beschäftigung stoppt. Unser Vorschlag ist ein “Green New Deal”: eine gezielte staatliche und private Investitionsoffensive für die Lösung unserer ökologischen und ökonomischen Zukunftsaufgaben.
Damit erreichen wir einen doppelten Nutzen: Die europäische Wirtschaft profitiert von neuen Technologien und die soziale Krise kann entschärft werden. Zugleich senken wir den CO2-Ausstoß und reduzieren unseren ökologischen Fußabdruck. Auch die Digitalisierung und der Erhalt öffentlicher Infrastrukturen gehören hierhin.
Das alles blockiert Angela Merkel, beharrt auf ihrer kurzsichtigen Sparpolitik, und treibt ein doppeltes Spiel: Immer wieder ist aus ihrer Partei Kritik an der EZB zu hören. Dabei hätte es die Bundesregierung selbst in der Hand, die problematischen Maßnahmen überflüssig zu machen. Die richtige Adresse für Protestbriefe ist daher nicht Frankfurt, sondern das Bundeskanzleramt.