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Gedanken zum Weltfrauentag

Mit Frauen muss man anders verhandeln. Frauen sind: kompromissbereit, unsicher, emotional. Männer sind: selbstsicher, laut, mutig. Solche Rollenklischees begegneten mir neulich im Rahmen einer Hochschulveranstaltung in einem Seminar über Verhandlungsführung. Das bekommt man im Hochschulkontext heute noch vermittelt. Und das ist eine der harmloseren Anekdoten, die man zum Thema Alltagssexismus erzählen kann. Gleichzeitig hört man immer wieder: Frauen und Männer sind in Deutschland gleichgestellt.

Um das Ziel der Gleichstellung zu erreichen, muss man sich erst die Probleme bewusstmachen, denen Frauen alltäglich begegnen! Nachfolgend eine kleine Aufzählung einiger dieser ´Frauenprobleme´, von den harmloseren zu den schockierendsten.

  • Politik: Am Weltfrauentag feiern wir, dass Frauen für ihr Wahlrecht gekämpft und es bekommen haben. Laut dem Statistischen Bundesamt sind derzeit aber lediglich 31 % der Abgeordneten im Bundestag Frauen.1
  • Lohn: Frauen sind häufig von Altersarmut betroffen, denn sie bekommen im Schnitt eine geringere Rente als Männer.2 Unbezahlte Care-Arbeit, also die Pflege von Angehörigen oder der eigenen Kinder, leisten vor allem Frauen. Obwohl diese Arbeit das Rückgrat unserer Gesellschaft bildet, wird sie nicht vergütet. Wenn man diese Arbeit in einen Geldwert übersetzt, kommt man laut Schätzungen der UN auf 3,2 Billionen $ an unbezahlter Kinderbetreuung in den USA im Jahr 2012.  Auch dies trägt dazu bei, dass die Rente von Frauen im Schnitt geringer ausfällt als die von Männern.
  • Gewalt: Von sexualisierter und häuslicher Gewalt sind vor allem Frauen betroffen. Laut einer EU-Studie erleben 33 % aller Frauen (jede dritte Frau in der EU) irgendwann in ihrem Leben körperliche und/oder sexuelle Gewalt (Stand 2014).3
  • Medizin: Medikamententests werden zum allergrößten Teil an männlichen Versuchstieren und bei Studien an Menschen an Männern durchgeführt. Dabei gibt es viele körperliche Unterschiede zwischen Frau und Mann, weshalb sich die Dosierung von Medikamenten für Frau und Mann meist unterscheiden müsste. Sogar die Wirksamkeit und Nebenwirkungen von Medikamenten können sich über die Geschlechter hinweg unterscheiden. Jedoch wird dazu in den seltensten Fällen geforscht. Begründung der Wissenschaft: Der hormonelle Zyklus der Frau sei zu kompliziert.4 Untersuchungen, die den weiblichen Zyklus berücksichtigen seien zu teuer. Die Folge: Medikamente sind für Männer gemacht, Frauen erhalten eine schlechtere medizinische Versorgung mit Medikamenten als Männer. Schon Mal etwas von dem Herzmedikament Digoxin gehört? Es wurde nur an Männern getestet, deren Leben es verlängern kann. Für Frauen hingegen kann es lebensgefährlich sein.5 Medikamente, die nur für Frauen wirken, werden hingegen gar nicht erst entdeckt. Auch bezüglich der Symptome und Beschwerden, durch die Krankheiten sich erkennen lassen, unterscheiden sich Männer und Frauen. Wussten Sie zum Beispiel, dass der klassische Schmerz im Brustraum als Symptom eines Herzinfarkts nur von einer von zehn Frauen verspürt wird? Ein Herzinfarkt wird deshalb häufig bei Frauen später erkannt als bei Männern.6 Nach einem Herzinfarkt sterben Frauen häufiger als Männer.7 Weiterhin zeigt eine Studie aus dem Jahr 2019: Nur in 15 % der Arzneimittel-Zulassungsstudien werden Nebenwirkungen geschlechtsspezifisch erhoben.8 „In Tierversuchen mit Mäusen galt das männliche Versuchstier lange als Standard, das weibliche als Sonderform“ (Deutschlandfunk, 2019) und das selbst bei Krankheiten, an denen vor allem Frauen erkranken.9 Die Mäuseweibchen gelten aufgrund ihres hormonellen Zyklus als unberechenbar, und dass obwohl die Hormonunterschiede zwischen den Männchen in einer Studie als höher erwiesen.10  Trotz allem steigt die Zahl der Medikamente, die auch an Probandinnen getestet werden, nur langsam: "Die Pharmaindustrie fürchtet, dass die Einbeziehung von Frauen in Studien die Arbeit komplizierter macht."11
  • Verkehr: Dummies, mit denen Crashtests durchgeführt werden, um Autos unfallsicher zu machen gibt es in zwei Größen, die den Durchschnittsmenschen repräsentieren sollen. 1,75 m und 2 m sind sie groß, da muss wohl eher die Rede vom Durchschnittsmann sein. Tests mit Dummies für Frauen werden höchstens vereinzelt durchgeführt. Die Folge: Bei Autounfällen erleiden häufiger Frauen schwere Verletzungen als Männer und kommen häufiger zu Tode.12  "Das Risiko schwerer oder lebensbedrohlicher Brustverletzungen ist für Frauen 30 Prozent höher als für Männer", so ADAC-Experte Volker Sandner.13 Und auch hier findet sich ein Muster wieder: Der Mann ist der „Auslegungsfall“, die Norm und die Frau eben "die Andere".

Das muss man erst Mal sacken lassen. Plötzlich ist es nachvollziehbar, warum Feminist*innen sich für die Stärkung der Frau in der Gesellschaft kämpfen, oder? Feminismus wird deshalb oft als pro Frau und contra Männer wahrgenommen. Aber auch Männer leiden unter Klischeedenken und gesellschaftlichen Geschlechterrollen, wie dem Bild des ´harten Mannes´. So suchen sie seltener ärztliche Hilfe auf und greifen stattdessen häufiger zu Drogen und Alkohol. Das Problem reicht sogar so weit, dass Ärzt*innen bei ihnen eher körperliche Probleme hinter Beschwerden vermuten, was zu Fehldiagnosen führen kann, wenn eine Depression beispielsweise nicht erkannt wird.14 Und auch die Rolle als Vater ist oft eine schwierige, in Sorgerechtsangelegenheiten sind Männer systematisch benachteiligt.15 Feminismus dient deshalb der Gleichstellung der Geschlechter und kämpft für eine gerechtere Gesellschaft für alle.

Der Begriff Feminist*in ist also offen für alle Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht.

Abschließend deshalb noch eine Frage: Sind Sie Feminist*in?

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Gemeinderat

Lara Barnic


1www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/allgemeines-regionales/frauenanteil-parlamente.html

2www.zeit.de/wirtschaft/2019-09/alterssicherung-frauen-weniger-rente-maenner

3www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/260339/gewalt-gegen-frauen

4pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28034518/

5www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-02/gendermedizin-gesundheit-aerzte-patient-medikamente-maenner-frauen-gleichberechtigung/komplettansicht

6www.youtube.com/watch

7www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-02/gendermedizin-gesundheit-aerzte-patient-medikamente-maenner-frauen-gleichberechtigung/komplettansicht

8www.morgenpost.de/berlin/article216608777/Gender-Medizin-Der-Wissenschaft-fehlt-das-weibliche-Element.html

9www.deutschlandfunk.de/tierversuche-gleichberechtigung-im-maeusekaefig.676.de.html

10www.deutschlandfunk.de/tierversuche-gleichberechtigung-im-maeusekaefig.676.de.html

11www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-02/gendermedizin-gesundheit-aerzte-patient-medikamente-maenner-frauen-gleichberechtigung/komplettansicht

12www.spiegel.de/panorama/autosicherheit-immer-nur-maennliche-crash-test-dummies-gefaehrden-frauen-a-76b3034e-31bf-4788-bbda-330658e73b1a

13www.zeit.de/mobilitaet/2016-03/verkehrssicherheit-autounfall-frau/komplettansicht

14www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-02/gendermedizin-gesundheit-aerzte-patient-medikamente-maenner-frauen-gleichberechtigung/komplettansicht

15www.zeit.de/gesellschaft/familie/2012-08/leserartikel-sorgerecht-vaeter

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